Die letzten Wochen war es um unsere Partei ja nicht gerade ruhig. Da kam erst der „Leak“ der Wahlstrategie und eine damit verbundene und verkürzte #r2g-Debatte, leider gefolgt von der mehrheitliche Ablehung der Vorlage in der letzten Parteivorstandssitzung. Danach ereilte uns vor einigen Wochen die Debatte, um die Spitzenkandidatur für die Bundestagswahl 2017.  Die Emotionen sind dabei an der ein oder anderen Stelle hochgekocht. Briefe wurden verfasst, die sich für unterschiedliche Modelle und Personenkonstellationen stark machten. Es wirkte so, als sie die Debatte über das Wer? längst wichtiger geworden, als die Frage nach dem Wie? Dabei ist letztere aus unserer Sicht die, die zuerst geklärt werden muss. Alles in allem also gefühlt eine zumindest prickelnde Gemengelage, die eine lebhafte Sitzung des Parteivorstandes erwarten ließ.

Ein Schwerpunktthema der Sitzung am 21. Oktober war entsprechend die Debatte um die Rolle des #r2g-Trialogs am vergangenen Dienstag. Aus unserer Sicht zog sich dieser Diskussionsstrang durch den gesamten Tag und ploppte immer wieder – auch manchmal im anderen Diskussionsgewand – wieder auf. Insbesondere vor dem Hintergrund der Wahlstrategie und der Frage der Spitzenkandidaturen kam das Thema immer wieder zu Tage . Wir haben uns daher viel Zeit genommen, uns auszutauschen und auch innerhalb der Partei den Diskurs über gesellschaftliche und parlamentarische Mehrheiten jenseits des grau-in-grau der GroKo zu führen. Und die Zeit und den Platz wollen wir uns auch hier nehmen und bieten.

Was wir aber bei dieser Debatte nicht machen sollten, ist uns wieder – wie schon beim Thema Wahlstrategie – dem medialen Spin hingeben und wie in der Medienlandschaft nun auch im Parteivorstand von „Lockerungsübungen“ zu reden, die das Treffen angeblich mit sich bringen sollte. Es gilt aus unserer Sicht den begonnenen Gesprächsfaden aufzunehmen und solange wie er konstruktiv ist weiterzuführen. Statt sich darüber zu beklagen, dass Sigmar Gabriel dieses Treffen strategisch für sich genutzt hat, um „links zu blinken“, sollten wir selber schauen, wie wir nun vorgehen und was wir mit solchen Treffen wollen und erreichen können. Das bedeutet auch Grüne und SPD dort zu stellen wo wir inhaltliche Differenzen haben und deutlich machen, was warum mit uns nicht geht und uns nicht von wahlarithmetischen Gedankenspielen treiben lassen. Gleichzeitig ist es doch selbstverständlich, dass bei solchen Treffen auch Gemeinsamkeiten ausgemacht werden. Das ist dann aus unserer Sicht keine „Lockerungsübung“, sondern eine Selbstverständlichkeit.

Aber: wir vertreten die These, dass der Diskurs um #r2g innerhalb unserer Partei eigentlich nicht die zentrale Rolle spielt oder  spielen sollte, denn er ist „nur“ die Folie, auf der verhandelt wird. Klingt komisch, meinen wir aber so. Die Diskurslinie verläuft aus unserer Sicht eher entlang der Frage, wie gesellschaftliche Veränderungsprozesse organisiert werden sollen und können, welches Menschen- und Gesellschaftsbild die Grundlage bildet, ob wir uns im analytischen Klein-klein aufhalten oder ob wir den Schritt heraus wagen und uns selber konfrontieren wollen, mit einer Gesellschaft, die nicht immer progressiv ist, die Ecken und Kanten hat, manchmal schwer zu verstehen und auch manchmal ganz schön konservativ ist, aber die nun einmal den Ausgangspunkt für die Gesellschaft darstellt, die wir verändern wollen. Das bedeutet auch die Frage nach der Organisierung des oft benannten „Lagers der Solidarität“ klar zu stellen und zu schauen, wie wir eine gesellschaftliche Gegenmacht entfalten können.  Statt eine Debatte über Parteienlager als Verhinderungsbündnis gegen den Rechtsruck zu führen, müssen wir aufzeigen, wie wir progressive gesellschaftliche Veränderungen anschieben können.

Klar ist uns an der Stelle aber auch: #r2g ist dazu kein Allheilmittel und auch keine Hüpfburg. Aber um im Bild der Hüpfburg zu bleiben: es könnte auch sein, dass die ersten Sprünge so viel Schwung geben, dass wir es tatsächlich schaffen, diese Welt zu verändern. Und genau das ist es, was wir übrigens im Erfurter Programm beschlossen haben (Happy birthday, by the way!): da, wo es möglich ist, die Lebensrealität der Menschen konkret zu verbessern, im Alltag spürbare positive Veränderungen zu schaffen, die Gesellschaft zu einer gerechteren zu machen. Da, wo wir dazu beitragen können, dass die Menschen, die hier leben und die, die zu uns kommen, frei, gleich, in Frieden und Gerechtigkeit leben können – da müssen wir nicht lange drüber nachdenken, da sind wir dabei. Und das sollten auch unsere solidarischen Mindeststandards sein, denn unter gerecht machen wir’s nicht!

Bernd Riexinger sagte dazu richtigerweise, dass wir drei Punkte im Blick behalten und als Partei klar machen müssen: 1) Wir müssen ein Motor sein für den Politikwechsel. 2) Dazu ist es notwendig klare politische Projekte zu formulieren. 3) Deshalb gilt es, unsere Energie in die Erarbeitung einer kraftvollen Wahlstrategie und eines guten Bundestagswahlprogrammes zu stecken.

Steile Thesen für den ersten PV-Bolgeintrag, das wissen wir, aber wir wollen ja auch mit euch diskutieren 😉

Ein weiterer Kristallisationspunkt in der Debatte war der Vorsitz der Europäischen Linkspartei. Der Parteivorstand hat auf seiner letzten Sitzung dafür Gregor Gysi vorgeschlagen. Wir sehen seine Kandidatur vor allem als Chance, europäische Debatten auch hier bei uns stärker wahrnehmbar und erlebbarer zu machen. Denn insbesondere der deutschen LINKEN fällt hier aus unserer Sicht die Aufgabe zu, dass aus diesem Land nicht nur die Merkels, Seehofers und Schäubles gehört werden, sondern dass auch klar wird, dass sie nicht für das ganze Land sprechen. Dass dies bisher nicht funktioniert hat, zeigt uns doch der selbstkritische Blick zurück auf die Debatte um Griechenland und SYRIZA. Da war es einfach, SYRIZA vorzuwerfen eingeknickt zu sein, statt auch zu analysieren, warum auch die DIE LINKE hinter dem Anspruch zurück geblieben ist, im Zentrum des Neoliberalismus eine kraftvolle und unterstützende Stimme für die griechischen Genoss*innen und gegen die Austerität zu sein. Dabei gibt es eine nicht unerhebliche Anzahl von Menschen, die gegen neoliberale Freihandelsabkommen und die Austeritätspolitik sind und für ein solidarisches, gerechtes und vereintes Europa von unten eintreten, wie uns die jährlichen Proteste rund um Blockupy und letztens gegen TTIP, CETA und Co. gezeigt haben.

Die Steuern: Ja auch die waren ein Schwerpunktthema bei unserer Sitzung. Vorgestellt wurde den Mitgliedern des Parteivorstandes eine erste Diskussionsvorlage für ein neuen Einkommenssteuerkonzept, dass von Expert*innen aus der Bundestagsfraktion wie Partei erarbeitet wurde. Eine Vorstellung des Konzeptes in Gänze würde den Rahmen dieses Blogeintrages allerdings sprengen. Um mal die Spannung zu steigern: dazu folgt noch was 😉

Was uns freut: dass Matthias Höhn als Bundeswahlkampfleiter bestätigt wurde und wir mit ihm nun in einen engagierten und ereignisreichen Bundestagswahlkampf starten! Apropos Bundestagswahl: unser Bundestagswahlprogramm wird in einem beteiligungsorientierten Prozess erstellt. Wie genau wir das anstellen wollen, könnt ihr hier ausführlich nachlesen. Ein Aspekt ist, im Haustürwahlkampf mit den Menschen ins Gespräch zu kommen, sie zu fragen, was sie bewegt, zu erfahren, wie sie es benennen und dies in unser Bundestagswahlprogramm aufzunehmen. Wir haben einen Erfahrungsbericht aus Dresden gefunden, der zeigt, dass es sich wirklich lohnt, über den eigenen Schatten zu springen und sich nach den ersten Gesprächen die Aufregung legt. Versprochen.

Zeitplan bis zum Jahresende: am 31. Oktober trifft sich der geschäftsführende Parteivorstand in einer Klausur, um über die Wahlstrategie zu beraten. Am 3. und 4. November findet dann die Klausur des Bundeswahlbüros statt. Am 7. November gibt es eine erneute Beratung des geschäftsführenden Parteivorstands mit den Landesvorsitzenden und am 18. und 19. November die gemeinsame Klausur der Landesschatzmeister*innen und Landesgeschäftsführer*innen. Am 3. und 4. Dezember ist die nächste Parteivorstandssitzung, voll gepackt mit Wahlprogramm, Wahlstrategie und Finanzplanung. Zu letzterem lässt sich nach der Vorstellung durch unseren Schatzmeister Thomas Nord erst mal sagen: sieht ganz gut aus 🙂

Zu guter letzt…

…freuen wir uns über einen Anstieg unserer Mitgliederzahlen!

…Anja freut ganz besonders, dass die Ausschreibung für den Clara-Zetkin-Frauenpreis 2017 einstimmig beschlossen wurde.

…Schafti freut ganz besonders, dass über die Hälfte unserer Neumitglieder im letzten Quartal 36 Jahre oder jünger sind.

Alle weiteren Beschlüsse des Parteivorstandes könnt ihr unter hier nachlesen.

Sitzung des Parteivorstands am 22. Oktober 2016: Bundestagswahlen, #r2g und Einkommensteuer

2 Gedanken zu „Sitzung des Parteivorstands am 22. Oktober 2016: Bundestagswahlen, #r2g und Einkommensteuer

  • 24. Oktober 2016 um 00:03
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    Klingt alles sehr gut, aber im Moment fragen sich die Menschen, warum sie links wählen sollen.
    Die Kommunen sind genauso ausgebeutet wie vor 2014 und so fühlen sich viele linke Kreistagsmitglieder genötigt sehen, sehr niedrig angesetzten KdU Richtlinien zuzustimmen.
    Die Jobcenter werden nicht ausreichend kontrolliert und verfolgen ihre unseligen Sanktionspolitik weiter. Nur, wer sich bis vor das Sozialbereich wehrt, hat eine Chance fair behandelt zu werden.
    Gebühren und Hebesätze wurden erhöht und die linken Kommunalpolitiker haben in Stadträten zugestimmt.
    Das ist das, was beim Bürger ankommt und da muss endlich angefangen werden.

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    • 24. Oktober 2016 um 10:28
      Permalink

      Liebe Jutta, Roselt,

      genau da steckt der richtige Kern der Frage, die wir hier auch aufwerfen wollten: Die Frage welchen Gebrauchswert hat die Partei DIE LINKE. Welchen Gebrauchswert hat eine Stimme für die Partei DIE LINKE jenseits von der Frage wie viele Abgeordnete wir 2017 im deutschen Bundestag sitzen haben. Wie wollen wir dieser Frage begegnen? Das Konzept zur Erarbeitung des Wahlprogramms mit dem beteiligungsorentierten Format soll ein erster Schritt sein. Mit den Haustürbefragungen und den Ende Okotober anstehdenden regionalen Foren die unter der Frage „Was muss drin sein?“ stehen wollen wir ganz direkt mit den Menschen vor Ort erörtern, wo ihre Probleme legen und wo die Hürden liegen. Diese „Phase des zuhörens“ ist für uns wichtig, um die Menschen dort abzuholen wo sie stehen und ihnen zu zeigen, dass sie gehört werden und ihre Anliegen aufgenommen werden. Wir wollen damit genau das was du beschreibst: Dort anfangen, was bei den Bürger*innen ankommt und ihnen im persönlichen Gespräch aufzeigen, wofür wir uns mit den Menschen stark machen wollen.

      Beste Grüße
      Christian Schaft

      Antworten

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