Verbessert im Vergleich zu 2013 und doch ein erschreckender Abend. Die Bundestagswahl 2017 hält für uns gefühlt zwei Ergebnisse parat. Zum einem angesichts unseres guten Ergebnisses bei gleichzeitig unterschiedlichen Tendenzen der Ergebnisse im Westen und Osten für DIE LINKE und zum anderen auf Grund des bundesweit manifestierten Rechtsrucks. Dieser Beitrag wagt einen Blick auf die Ergebnisse und wirft erste Fragen auf, denen wir uns gezielt und intensiv die kommenden Wochen und Monate widmen müssen. Eines ist dabei klar: Schnellschüsse bringen uns nichts und DIE LINKE wird weiterhin wichtiger denn je, eine starke Stimme gegen rassistische Hetze und Ausgrenzung sein müssen.

Zuballerst geht aber natürlich ein fettes Danke raus: DANKE an alle Genoss*innen und Sympathisant*innen, die sich bundesweit in den letzten acht Wochen im Bundestagswahlkampf tagtäglich für eine starke LINKE im Bundestag eingesetzt haben. DANKE an alle Kandidat*innen die leidenschaftlich gekämpft haben. Danke an die vielen Ehrenamtlichen wie Hauptamtlichen, die bis zum Schluss versucht haben das Beste rauszuholen. Und es hat sich gelohnt: Wir konnten in absoluten wie in relativen Zahlen bundesweit zulegen. Im Vergleich zu 2013 konnten wir bei steigender Wahlbeteiligung mehr als eine halbe Millionen Wähler*innen hinzugewinnen. Die neue Bundestagsfraktion ist größer geworden. Nun werden 69 Abgeordnete gemeinsam als starke soziale Stimme im Bundestag agieren, streiten und kämpfen. Und nicht nur die Fraktion hat sich vergrößert. Wir haben es geschafft den Schwung der Bundestagswahl auch dazu zu nutzen, um viele neue Mitglieder zu gewinnen und haben seit langem wieder die Marke von 60.000 überschritten. Insofern lässt sich auch festhalten unsere Kampagne und unsere Ansprache haben gewirkt und so können wir ein Stück weit gestärkt aus dieser Wahl hervorgehen.

Das kann natürlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass erstmal seit langem wieder extrem Rechte, Faschist*innen und Nazis in Fraktionsstärke im Bundestag sitzen. Die soziale Spaltung der letzten Jahrzehnte die auf Ausgrenzung statt Solidarität gesetzt hat und die Tatsache, dass die Union ihren Feind weiterhin in einer möglichen rot-rot-grünen Regierung gesehen haben und entsprechend dagegen mobilisiert hat, haben dazu beigetragen, dass sich die Diskursverschiebung nach rechts jetzt auch in Sitzen im Bundestag manifestiert. Und diese Rechtsverschiebung wird anhalten. Das zeigt bereits die Aussage von Horst Seehofer der meint, man müsse die „offene Flanke schließen“ und seine CSU attraktiv machen für rechtsgerichtete Wähler*innen. Dass das Hinterherlaufen hinter den rechten Parolen und Forderungen die AfD nicht klein hält, sollte der Sonntagabend gezeigt haben. Wer in diesem Zusammenhang und bei einem Ergebnis von fast 13 % für Nazis im Bundestag, wie der Thüringer CDU Landesvorsitzende Mike Mohring, immer noch von „rechten und linken Ideologen“ schwafelt die die Demokratie bedrohen würden, hat auch nix begriffen.

Bei dem genaueren Blick auf die Ergebnisse ergeben sich für uns aber auch weitere Herausforderungen und Fragestellungen die wir angehen müssen. Was sich fortgesetzt hat ist der Trend, dass vor allem ein junges, urbanes und akademischen Milieu verstärkt DIE LINKE wählt. Vor allem weil wir als einzige Partei immer wieder klare Kante gegen den Rechtsruck und Rassismus zeigen. Doch damit geht eine Herausforderung einher. Denn schauen wir uns die Ergebnisse getrennt nach West und Ost einmal an, so zeigt sich, dass dieser Trend im ersten Teil zwar dazu führt, dass wir in allen alten Bundesländern deutliche Zuwächse verzeichnen und starke Ergebnisse zwischen 6 und 14 % eingefahren haben, gleichzeitig aber in den neuen Bundesländern überall Einbußen zu verzeichnen sind.  War es bisher andersherum zeichnet sich erstmals deutlich ein umgekehrtes Bild ab. Das starke Abschneiden im Bund liegt u.a. den guten Ergebnissen in den westdeutschen Ballungsräumen und Großstädten. Wer allerdings hier jetzt auf die Idee zukommen dies bspw. darauf zurückzuführen, die LINKE im Osten sei durch Regierungsbeteiligungen eine „etablierte Partei“ geworden und schaffe es daher nicht mehr ausreichen Protestwähler*innen zu binden, macht es sich zu einfach. Denn ein Trend zeigt sich bundesweit auf Grund des Wandels im Wähler*innenmilieu unserer Partei: Ein steigender Stadt-/Landunterschied. In Gemeinden mit 100.000 Einwohner*innen oder mehr waren unsere Ergebnisse überdurchschnittlich hoch und waren die Verluste im Osten auch wesentlich geringer. In kleinen Gemeinden hingegen in der Fläche dominierten CDU, CSU und im Osten vor allem die AfD. Die Doppelstrategie, die neuen Wähler*innenschichten einzubinden und dabei die alten nicht zu vergessen und eine Ansprache zu entwickeln, die auch in der Fläche ausreichend wirkt scheint uns nicht in ausreichendem Maß gelungen zu sein. Wie wir dies schaffen wird eine der Fragen sein, die wir uns bei einer genaueren Betrachtung der Zahlen werden stellen müssen. Und wir müssen genauer hinschauen, wen wir in den ländlichen Regionen mit unserem Wahlkampf nicht erreicht haben. Müssen uns fragen, warum sich Menschen im ländlichen Raum von den urbanen Räumen abgehängt fühlen auch wenn sie nicht zwingen ökonomisch abgehängt sind, nicht zwingend ein Mietenproblem und Lohnproblem haben und trotzdem Angst haben gesellschaftlich, sozial und ökonomisch abzusteigen. Diesen Menschen müssen deutlicher aufzeigen, warum unsere Vorstellung für soziale Gerechtigkeit auch Ihnen zu Gute kommt und ihnen diese Angst vor der Moderne, verkörpert durch das urbane akademische Milieu, nehmen. Das bedeutet auch in der Ansprache differenzierter zu werden. Auch keine leichte Aufgabe, um dieser Entwicklung in der Fläche und vor allem im Osten entgegenzusteuern. Aber eine Aufgabe der wir uns stellen werden, da „Sozial. Gerecht. Für alle.“ für uns eben nicht nur ein Slogan sondern weiter Programm ist.

Die völlig falsche Reaktion auf die AfD-Wahlergebnisse und die Verluste in den Wähler*innengruppen der Arbeiter*innen und Erwerblosen, ist es aus unserer Sicht es sich einfach zu machen und zu sagen, wir hätten es uns in der sogenannten „Flüchtlingsfrage“ zu einfach gemacht und das Spielfeld der AfD überlassen Dinge zu benennen. Wir waren die Kraft, die in diesem Wahlkampf die Themen Migration, Flucht und Asyl mit einer klaren Haltung und gleichzeitig differenziert sachlich betrachtet hat, im Sinne derer die hier herkommen und der Herausforderungen die damit für alle Akteur*innen einhergehen, für die Zugewanderten wie für die Aufnahmegesellschaft. Die AfD, aber auch Teile der Union hingegen haben mit falschen Zahlen und Zahlenspielen Angst geschürt, sich darüber gestritten wer die meisten Menschen abschiebt und die soziale Spaltung befeuert, den Diskurs nach rechts verschoben. Daher gibt es von der AfD und von rechts in dieser Sache gar nichts zu lernen. Wir müssen weiter unseren klaren Kurs fahren, klare Kante und Haltung zeigen: Gegen Ausgrenzung und für Solidarität. Das bedeutet auch, wenn 69 % der AfD-Wähler*innen sagen, sie haben die Partei aus Protest gewählt zu sagen was ist: nämlich dass rassistische Motive auch da eine Entscheidung gespielt haben. Unsere Aufgabe ist es dann diese aufzubrechen statt diese aufzugreifen.

Eine weitere Herausforderung wird für uns die Rolle der SPD als Oppositionsführerin sein. Es wird sich zeigen müssen, ob die Sozialdemokratie diese Chance nutzt, um sich nachhaltig zu erneuern und ein linkes Profil zu schärfen. Unsere Aufgabe wird es sein, die SPD wie im Wahlkampf genaue darauf zu prüfen und den Druck aufrechtzuerhalten soziale Gerechtigkeit ernsthaft zum Thema zu machen und ihr klar zu machen das warme Worte nicht reichen werden. Gleichzeitig müssen die aufgenommen Gesprächsfäden aufrechterhalten werden, um mittelfristig die Grundlage für ein vertrauensvolles Miteinander zu schaffen, wenn wir als LINKE absehbarer Zeit Mehrheiten links der Union organisieren wollen.

Was bleibt ist: Wir können auf einem starken bundesweiten Ergebnis weiter aufbauen. Ein Ergebnis, dass uns auch den Rückenwind und Rückhalt für die Landtagswahlen der Genoss*innen in Niedersachsen gibt, die noch drei Wochen weiter kämpfen für soziale Gerechtigkeit, Umverteilung und gegen den Rechtsruck.

Das Wahlergebnis und die AfD im Bundestag bedeutet auch: Wir werden Kampf gegen die extreme Rechte und Hegemonie von rechts noch stärker angehen, als wir es bisher gemacht haben. Wir stehen weiterhin an derjenigen die tagtäglich mit zivilgesellschaftlichem Engagement klar gegen rechte Hetze und Rassismus einstehen und sich dem widersetzen. Das sind unsere Partner*innen und Mitstreiter*innen, denen wir den Rücken stärken müssen.  Wir haben dazu am Montag auch im Parteivorstand noch einmal unseren Beschluss zum Umgang mit der AfD bekräftigt. Wir werden ihre entschiedenste Gegnerin sein!

Seit Sonntag sind bereits über 370 Menschen in DIE LINKE eingetreten, um Teil dieses Kampfes zu sein! Das macht uns Mut! Denn gegen die Verschiebung nach rechts hilft nur: mehr werden, aktiver werden. Schließ Dich mit uns zusammen für mehr soziale Gerechtigkeit, gegen rechte Hetze und Krieg!

Empfehlen wollen für die genauere Auseinandersetzung mit den Ergebnissen auch noch zum einen die Wahlnachberichterstattung von Horst Kahrs und die Einschätzung und Bewertung von Benjamin-Immanuel Hoff.

Gefühlt zwei Ergebnisse – Gedanken zur Bundestagswahl

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