Im Vorfeld dieser Parteivorstandssitzung war klar, es braucht ausreichend Sitzfleisch. Nicht weniger als die Wahlstrategie, das Bundestagswahlprogramm und die Frage, wer unsere Partei als Team in die in das Wahljahr 2017 führt, stand zur Debatte – und damit die zentralen Weichenstellungen, um ein erfolgreiches Wahljahr zu gestalten.

Bevor allerdings die großen Brocken auf den Tisch kamen, stand erstmal der Austausch zu den Entwicklungen der letzten Wochen an. Am deutlichsten wurde dabei hervorgehoben, dass es mit dem Sieg von Donald Trump bei den US-Präsidentschaftswahlen keinen Grund gibt, auch nur im Ansatz darin einen Erfolg gegen das „Establishment“ zu sehen. Trump ist genauso Teil der wirtschaftlichen Eliten, wenn auch eines anderen Teils als bspw. Hilary Clinton. Viel mehr muss es nun Aufgabe der amerikanischen Linken sein, zu schauen, welche Möglichkeiten zur weiteren Organisation aus dem Vorwahlkampf von Bernie Sanders genutzt werden müssen.

Mit Blick auf Februar 2017 hinaus wurde unterstrichen, dass mit der Aufstellung von Christoph Butterwegge als LINKEN-Kandidaten zur Bundespräsident*innenwahl ein deutliches Zeichen gegen Steinmeier als Mitverantwortlicher für die Agenda 2010 gesetzt wurde. Die Entscheidung von SPD, CDU und CSU, einen gemeinsamen Kandidaten aufzustellen, wird nun die Grünen, trotz der so gut wie sicheren Wahl von Steinmeier in der Bundesversammlung, vor die Entscheidung stellen, wem sie ihre Stimme geben. Einem Kandidaten, der für ein weiter so der GroKo steht, oder einem Kandidaten, der für den aktiven Sozialstaat steht und klar das Problem benennt: die „verfehlte Reformpolitik als Ursache für den Verlust an sozialer Sicherheit.“

Und natürlich war auch die aktuelle Urabstimmung über den Koalitionsvertrag in Berlin ein Thema. Klaus Lederer hat dabei den Einblick in die Verhandlungen gegeben und deutlich gemacht, welche Herausforderung diese mit sich brachten, bis der Entwurf auf dem Tisch liegen konnte. Wir finden, der Entwurf kann sich sehen lassen mit den Vereinbarungen zu den Themen Mieten und Wohnungen, Bekämpfung der sozialen Spaltung, Herstellung eines funktionierenden öffentlichen Dienstes, dem Bekenntnis zur Mobilitäts- und Energiewende und dem Kämpfen für eine Stadt für alle – unabhängig von ihrer Herkunft, sozialen wie finanziellen Situation, Religion sowie sexuellen Identität und Orientierung. Am Ende wird sich natürlich ein potentieller rot-rot-grüner Senat daran messen lassen müssen, ob es ein Mehr an sozialen Zusammenhalt, Vielfalt, Sicherheit und Dialog mit der Stadtgesellschaft geben wird. Wenn es DIE LINKE in Berlin aber schafft, ihre Formen der Beteiligung und Ansprache aus dem Wahlkampf und ihre politische Eigenständigkeit zu wahren, glauben wir, wird es den Genoss*innen in Berlin gelingen. Für alle, die den Entwurf nicht lesen konnten und sich ein Bild machen wollen, gibt es das ganze Werk hier zum nachlesen.

Nun zu den angekündigten „schweren Brocken“:

Zuerst zur Wahlstrategie: Nachdem der erste Entwurf in der letzten Sitzung zurückgewiesen wurde, lag nun eine neue Fassung vor, welche aus unserer Sicht die Kritikpunkte der letzten Sitzung gut aufgenommen hatte und klarmacht, dass wir der Verunsicherung, der Angst und sozialen Spaltung der Gesellschaft mutig mit einem eigenständigen Profil entgegentreten wollen. Mit einem Profil, dass ein politisches Angebot darstellt für soziale Sicherheit und einen demokratischen Aufbruch. Deutlich machen wir in der Wahlstrategie, dass wir bei SPD und Grünen durchaus Personen und kritische Köpfe verorten, mit denen die Möglichkeiten eines Kurs- und Politikwechsels diskutiert werden können. Das bedeutet aber auch, dass wir neben dem Gemeinsamen über das Trennende sprechen und dort Druck machen müssen, um zu zeigen, wo nur große Worte gemacht werden. In einer sechsstündigen Antragsdebatte wurde auch in diesem Zusammenhang nochmal an einigen Passagen gefeilt, da einige Änderungsanträge vorlagen. Deutlicher hervorgestellt wurde durch einige Änderungen an der Wahlstrategie, dass wir die Bundestagswahl nicht nur auf die Stimmabgabe reduzieren wollen. Wir wollen auch Mitglieder, Sympathisant*innen und Bündnispartner*innen aktivieren, gemeinsam mit uns auch nach der Wahl politische Prozesse zu gestalten. Wir wollen mobilisieren sowie organisieren und dabei auch bei aller realpolitischen Kompetenz nicht unsere Visionen und das Rebellische sowie den Raum für Protest und sozialen Widerstand vergessen. Oder mit den Worten aus der Strategie: „Unsere Politik orientiert sich daran, unsere Vorstellungen von Gerechtigkeit und Gleichheit Realität werden zu lassen – durch Widerstand und Protest, durch Mit- und Umgestaltung im Hier und Jetzt und durch die Utopie einer über den Kapitalismus hinausweisenden Alternative.“ Zudem wollen wir auf die Veränderungen unseres Wähler*innenmileus reagieren, ohne unsere bisherigen Stammwähler*innen und bestimmte Milieus zu vernachlässigen. Wir wollen alle ansprechen, die gemeinsam mit uns für den sozialen und demokratischen Wandel streiten wollen. Die gemeinsame Ansprache der verschiedenen Gruppen, die von Prekarisierung und Alltagssorgen um Miete, Gesundheit, Rente, Pflege, Arbeit und ihre Zukunftsperspektiven betroffen sind, wird eine zentrale Herausforderung, der wir uns annehmen werden und die anschließend auch die Debatte über das Spitzenteam stark beeinflusste. Unser Ziel ist es, als drittstärkste Kraft mit 10% plus X auch 2017 wieder in den Bundestag einzuziehen, um eine starke LINKE Stimme im Parlament zu haben, eine Stimme, die weiterhin die Konfliktlinien aufzeigt und die Finger in die Wunde liegt. Die nun vorliegende Wahlstrategie macht klar und deutlich: DIE LINKE steht als eigenständige Kraft für den Politikwechsel, sucht die Möglichkeiten zur Umsetzung ihrer Ziele und setzt dabei auch auf die Unterstützung der von sozialen Bewegungen und Protest als Motor für soziale Gerechtigkeit.

Zweitens zum Wahlprogramm: Das hatten wir nun zur ersten Lesung vorliegen. Und festhalten lässt sich schon einmal, dass die Parteivorsitzenden und die Redaktionsgruppe auf den über 110 Seiten ganze Arbeit geleistet haben. Es ist aus unserer Sicht gelungen, einen Programmentwurf vorzulegen, der es im Sinne der Wahlstrategie schafft, klare politische Projekte zu definieren, die wir umsetzen wollen und bei den konkreten Alltagserfahrungen der Menschen anzuknüpfen und dabei den Blick für unseren transformatorischen Anspruch nicht außer Acht zu lassen. In der gemeinsamen Debatte über den Entwurf wurden vorrangig Vorschläge zur Struktur des Programms als Ganzes gegeben und einige inhaltliche Ergänzungen aufgezeigt. Mit dem Programm sagen wir Armut und prekärer Beschäftigung den Kampf an, stehen ein für ein absicherndes Rentensystem, das seinen Namen verdient, formulieren konkrete Maßnahmen zur Umverteilung von oben nach unten und machen klar, dass wir ohne Wenn und Aber für eine solidarische Einwanderungsgesellschaft streiten werden. Das Programm soll zum Jahresauftakt der Partei Mitte Januar präsentiert werden. Bis dahin haben wir als PV-Mitglieder die Möglichkeit, bis Mitte Dezember noch Anregungen an die Redaktionsgruppe für den Feinschliff weiterzugeben. Da stehen wir euch natürlich für Rückfragen und Anmerkungen auch gerne zur Verfügung.

Und last but not least, das Spitzenteam: Eine lange und leidenschaftliche Debatte ging der Entscheidung über die Frage zur Spitzenkandidatur voraus. Nicht zuletzt die medialen Spekulationen der vergangenen Tage und Wochen haben es notwendig gemacht, sich mit den Mitgliedern des Parteivorstandes und den beiden Fraktionsvorsitzenden und den Landesvorsitzenden die Zeit zu nehmen, um über die Frage zu sprechen, wer unsere Partei 2017 in den Wahlkampf führen wird. Nach einer langen und intensiven Debatte hat der Parteivorstand dazu nun folgendes beschlossen: „Der Parteivorstand beruft die Fraktionsvorsitzenden Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch zu Spitzendenkandiat*innen für die Bundestagswahl 2017. Der Bundestagswahlkampf der Partei wird gemeinsam geführt von einem Spitzenteam aus den beiden Parteivorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger sowie den beiden Spitzenkandidat*innen. Dieses Spitzenteam wird unterstützt durch den Bundeswahlkampfleiter Matthias Höhn, der für die Durchführung des Wahlkampfes verantwortlich ist. Die Kommunikationsstrategie wird gemeinsam im Spitzenteam erarbeitet. Die politischen Entscheidungen zum Wahlprogramm sowie die politischen Entscheidungen nach der Wahl werden in enger Absprache mit den Spitzenkandidat*innen geführt und liegen bei der Partei und den Vorsitzenden.“ Wir geben beide zu, wir hätten auch andere mögliche Konstellationen bevorzugt und das Verfahren hat gezeigt, dass im Umgang miteinander bei der Aufstellung der Kandidat*innen noch Aufholbedarf darin besteht, diese Entscheidung transparent, kollektiv und auf Augenhöhe zu treffen. Nichts desto trotz glauben wir, dass das Spitzenteam aus Katja, Bernd, Dietmar und Sahra einen Beitrag dazu leisten kann, wie in der Wahlstrategie formuliert, die unterschiedlichen Wähler*innenmilieus anzusprechen und einzubinden. Nun sollten wir mit diesem Team den Blick auch darauf richten, unsere Inhalte zu diskutieren – und zwar nicht nur intern, sondern mit den Menschen, die in ihrem Alltag mit ganz konkreten Problemen konfrontiert werden. Und um es mit den Worten des Genossen Thies Gleiss aus der Sitzung zu sagen, sind auch wir der Meinung, dass wir am Ende auf all unsere Mitglieder als Spitzenpersonal angewiesen sind und gemeinsam vor Ort mit all den Genoss*innen in den Wahlkreisen kämpfen müssen, um die LINKE noch stärker zu machen.

Aber nicht nur die Bundestagswahlen waren im Blick der Sitzung. Wir haben auch Entscheidungen zur Unterstützung verschiedener Bündnisse und Veranstaltungen im kommenden Jahr beschlossen. So wird DIE LINKE selbstverständlich nächstes Jahr das Protestbündnis in Hamburg gegen den G20 Gipfel unterstützen, ebenso wie im Kampf gegen Rechts weiter eine verlässliche Partnerin für das Bündnis „Aufstehen gegen Rassismus“ sein. Und wir unterstützen auch das Bündnis „Reichtum umverteilen“ erneut – stellt die Verteilungsfrage und -gerechtigkeit doch auch den zentralen Punkt unseres politischen Kampfes im kommenden Jahr dar.

Zu guter Letzt…

… haben wir wieder festgestellt, dass gilt „ohne Mampf“ kein Kampf. Vor allem wenn der Kuchen am Sonntagnachmittag fehlt.

… Anja freut sich, dass sich insbesondere die jungen Frauen* intensiv und leidenschaftlich an den Debatten beteiligt haben. Ihr seid spitze, go for it!

… Schafti freut sich, dass berichtet wurde, dass der Trend der Mitgliederzuwächse weiter anhält und gerade die Linksjugend und der SDS kontinuierlich neue Ortsgruppen gründen können.

Und wir gestehen ganz selbstkritisch ein, dass wir, wie beim letzten Mal besprochen, noch nichts zum Einkommensteuerkonzept vorgelegt haben. Wir werden das schnellstmöglich ändern 😉

Alle weiteren Beschlüsse des Parteivorstandes könnt ihr wie gewohnt alsbald hier nachlesen.

 

Mit dem #Spitzenteam mit Hoffnung und Mut der Angst begegnen!
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