Eine rechnerische Chance für #r2g, soziale Gerechtigkeit in aller Munde und so etwas wie Wechselstimmung. Drei Punkte von denen wir bei der letzten Sitzung des Parteivorstandes noch weit entfernt waren. Doch mit der Benennung von Martin Schulz zum Kanzlerkandidaten der SPD haben sich zumindest aktuell die Karten neu gemischt. Ein Thema was natürlich im Mittelpunkt der Parteivorstandssitzung am vergangenen Wochenende stand. Aber nicht nur. Unsere inhaltliche Profilierung, der Wahlprogrammentwurf und einiges mehr stand auf der Tagesordnung.

Neben dem Schulz-Effekt bewegen natürlich viele andere Themen die Republik, die wir zu Beginn diskutierten. So auch die anstehende Übernahme von Opel durch den französischen Konzern PSA. Das diese Übernahme nicht allein mit der Forderung nach Standort- und Arbeitsplatzerhalt kommentiert werden kann, zeigte uns, dass wir uns in einer der nächsten Sitzungen einmal intensiver auch mit den Entwicklungen und Tendenzen in der globalisierten Automobilindustrie auseinandersetzen müssen. Insbesondere vor den Hintergrund unserer Forderungen nach einer ökologischen und sozialen Wende der Mobilität. Da PSA im Bereich der Elektromobilität als Vorreiter gelten kann, besteht hier die Möglichkeit neue Wege zu gehen und das Innovationspotential von Opel zu steigern.  Begrüßt wurde der Tarifabschluss für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Wir alle waren überrascht, welche Wirkmacht die Beschäftigten diesmal auf die Straße gebracht haben und welches Ergebnis durch die Mobilisierung am Ende den Arbeitnehmer*innen vorgelegt wurden konnte. Wir unterstützen dabei natürlich die Forderung nach der zeitnahen Übernahme des Ergebnisses in den Ländern. Aber es gibt eben nicht nur Grund zur Freude, wie die letzten Abschiebungen nach Afghanistan wieder zeigen. Immer noch ist es uns unverständlich, wie sich das Bundesinnenministerium der Neueinschätzung der Sicherheitslage auf Grundlage des UNHCR-Berichtes oder auch nach den Äußerungen der Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung verweigern kann. Dass der Bundesinnenminister dann auch noch meint, die Abschiebungen damit zu rechtfertigen, dass die Opfer ja nicht die Ziele seien, ist dabei mehr als zynisch, es ist menschenverachtend. Umso klarer war für uns, dass wir als LINKE weiter Druck machen, damit nicht nach Afghanistan abgeschoben wird. DIE LINKE ist jedenfalls auch in den regierungsbeteiligten Bundesländern eindeutig: wir verurteilen Sammelabschiebungen in Krieg, Elend und Hoffnungslosigkeit. Darüber hinaus lag ein Schwerpunkt in der Debatte zum TOP Aktuelles auch auf der Rüstungsspirale die nicht erst seit der Wahl von Trump eingesetzt hat. Denn das 2% der NATO-Staaten wurde schon vorher ausgerufen. Trump und seine vagen Aussagen zur NATO und internationalen Sicherheitspolitik, dienen da nun u.a. Schäuble und von der Leyen als hilfreiches Instrument, um die eigenen Ziele durchzusetzen. Zudem sei an der Stelle auch mal darauf hingewiesen, dass das wie eine Monstranz vor sich hergetragene 2%-Ziel nirgendwo vertraglich verankert ist. Insofern meinen wir auch mit Blick auf die anstehende Ostermarschzeit: Wir brauchen die Trendwende, das bedeutet Abrüstung und mehr Investitionen in die soziale Infrastruktur.

Auf Kritik stießen zu Beginn der Parteivorstandssitzung zu Recht auch die Aussagen von Sahra Wagenknecht, zu Griechenland. Es ist für uns wenig nachvollziehbar, wie sie in das Horn der Konservativen stoßen kann und meint eine solidarische Begleitung der Verhandlung mit der EU-Kommission und dem IWF bestehe darin, den „Grexit“ zu fordern. Bernd berichtete dazu, dass auch von unserer Partnerpartei SYRIZA diese Aussage als wenig hilfreich bewertet wurden. Zu der Frage nach der Sinnhaftigkeit der Grexit-Forderung gibt es auch in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Sozialismus einen lesenswerten Artikel von Joachim Bischoff, Björn Radke und Axel Troost.

Kommissionen – Stützen im Maschinenraum der Partei

Oft kaum in der Breite der Partei wahrgenommen, aber längst wichtiger Bestandteil der parteiinternen Bildungsarbeit und Geschichtsaufarbeitung sind zwei eingerichtete Kommissionen, über deren Neuberufung und Arbeitspläne wir diskutiert haben. Die Kommission politische Bildung und die historische Kommission. Die Kommission Politische Bildung (KpB) wurde noch vor Gründung der Partei DIE LINKE von Aktiven der Politischen Bildung aus PDS und WASG gegründet. Seitdem arbeitet sie kontinuierlich daran, politische Bildungsarbeit innerhalb der Partei DIE LINKE zu verankern. In 13 von 16 Landesverbänden gibt es mittlerweile in unterschiedlicher Struktur Arbeitsgemeinschaften, die sich diesem Themenfeld widmen. Für 2017 ist der Arbeitsplan wieder gut gefüllt. Neben der Sicherung und dem Ausbau der bestehenden Strukturen und der Bildungsarbeit in den Ländern und der Sicherung der laufenden Angebote stehen auch Angebote wie Wahlkämpfer*innen- und Kandidat*innenschulungen vor Ort auf dem Plan. Zudem wird mit der Frage des Organizing im Partei-Kontext ein neues Arbeitsfeld in der Kommission aufgerufen.

Auch stand die Arbeit der Historischen Kommission auf dem Plan des Parteivorstands. Die Historische Kommission arbeitet zahlreiche Stellungnahmen zu Jahrestagen und politischen Positionierungen aus, die hier eingesehen werden können. Die Neuberufung der Kommission wurde auf eine der nächsten verschoben und es wurde eine Konferenz zum Epochenbruch 1914 bis 1923 beschlossen.

Der Schulz-Effekt – Mehr als nur eine Momentaufnahme?

Seit der Nominierung von Schulz und den neuen und starken Umfragewerten der SPD ergibt sich eine neue Ausgangslage bei der Betrachtung der Bundestagswahl, die natürlich auch wir diskutiert haben. Klar ist dabei Schaum vor dem Mund hilft uns nicht in der aktuellen Debatte und bei der Kritik an Schulz von links. Auch wenn er die Agenda 2010 nicht gänzlich ablehnt, Teil der schwarz-roten Koalition im europäischen Parlament war und die Austeritätspolitik in Griechenland maßgeblich mit voran getrieben hat, mit all diesen Dingen wird er nicht identifiziert. Er muss sich nicht identifizieren lassen mit der Regierungspolitik der SPD der letzten Jahre und kann sich eine leise Distanzierung von der Agenda 2010 leisten. Diese Wahrnehmung der Wähler*innen muss berücksichtigt werden. Viele enttäuschte SPD-Wähler*innen die vor seiner Nominierung auch uns gewählt hätten, sehen nun die Chance für einen neuen Aufbruch. Nicht nur in der SPD sondern auch hin zu einer Machoption, die einen zumindest einen Wechsel an der Spitze möglich macht. Das bedeutet für uns, jetzt nicht zu Wadenbeißer*innen zu werden, sondern diese Wechselstimmung zu nutzen, um als treibende Kraft in der inhaltlichen Debatte über soziale Gerechtigkeit zu agieren. Wir müssen Schulz und die SPD inhaltlich stellen. Dass mussten wir vor Schulz und müssen wir jetzt umso mehr. Dort wo er und die SPD vage bleiben, müssen unsere konkreten Vorschläge auf den Tisch. Wir wollen ihm deutlich machen, dass die Alternativen und Versprechungen, die Martin Schulz gerade vollmundig verspricht, auch umgesetzt werden müssen, wenn zumindest im Ansatz so etwas wie ein Politikwechsel stattfinden soll. Wir müssen dabei deutlich machen, dass wir den Politikwechsel wollen und das nur der Garant dafür sein können, dass die SPD sich nach dem Wahltag noch an ihre guten Vorsätze erinnert. Wir müssen deutlich machen, dass es einen tatsächlichen Bruch mit dem „weiter so“ braucht und nicht nur gute Rhetorik die auffällig bei unseren programmatischen Grundsätzen abgekupfert ist. Daher hilft uns aber in der aktuellen Debatte keinen Wettlauf um höhere Forderungen, sondern es braucht konkrete Zusagen und die Forderung nach Konzepten. Wir wollen Butter bei die Fische oder bei die Tofubratlinge 😛

Wir müssen den angeschobenen Diskurs über soziale Gerechtigkeit aufgreifen, aber auch hier aufpassen, denn die Debatte kann auch nur dem aktuellen Medienhype geschuldet sein. Aktuelle Umfragewerte zu den Themen die die Bürger*innen bewegen zeigen uns, dass soziale Gerechtigkeit noch weit hintenansteht, und zwar nach innerer Sicherheit und Zuwanderung. Auch diese Debatten dürfen wir nicht vernachlässigen, um den Rechten und Konservativen nicht den Platz zu überlassen, denn sonst wird der aktuelle Law-and-Order Diskurs der in politischen Entscheidungen zu mehr Abschiebungen und weiteren Asylrechtsverschärfungen gipfelt weiter dominieren. Wir müssen deutlich machen wie eine solidarische Einwanderungsgesellschaft aussehen kann und wie mit unserem Programm soziale und innere Sicherheit für alle Hand in Hand gehen. Die Konzepte dazu haben wir auf dem Tisch und einige im Detail auch schon in den letzten Parteivorstandssitzungen diskutiert.

Darüber hinaus, bietet der Schulz-Effekt aber auch eine Möglichkeit, dass die progressiven Kräfte in der SPD von dieser Aufbruchsstimmung profitieren. Ein Beispiel ist aus unserer Sicht die Nominierung der Juso-Kandidatin Elisabeth Kaiser in Thüringen auf den Listenplatz zwei, die in ihrer Bewerbungsrede deutlich für einen Politikwechsel eingetreten ist und die von der Welle des Aufbruchs in der Partei getragen wurde. So zumindest unser Eindruck, wenn wir uns die Reden und Fürreden anschauen.

Wir bleiben aber auch dabei. Wir wollen den Politikwechsel ohne einen reinen Regierungs- oder Oppositionswahlkampf zu machen. Wir haben unsere Angebote und wir müssen uns nicht verstecken oder zum Anhängsel machen. Und dabei gilt immer: Wir machen es nicht unter der Wiederherstellung des Rechtes aus Asyl, dem Ende des Sozialabbaus und der Wiederherstellung des Sozialstaates. Und wir sind bei Katja, wenn sie sagt: „Für uns gibt es drei Haltelinien. Mit uns gibt es keine Privatisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge, keinen Sozialabbau und keine Kampfeinsätze im Ausland“.

Leider etwas in der Debatte untergangen sind die Auswertungen der im Herbst stattgefundenen „Was muss drin sein“-Konferenzen und der Regionalkonferenzen zum Programmentwurf die vor wenigen Wochen stattgefunden haben. Dabei waren diese vielversprechend, zeigten sie doch, dass der Entwurf des Wahlprogramms von Katja und Bernd den Nerv derer trifft, deren Stimme wir sein wollen. Insgesamt haben an den vier Regionalkonferenzen etwa 570 Menschen teilgenommen. Bei allen vier Konferenzen kam der Programmentwurf gut an wurde und solidarisch diskutiert. Dort wo es einen Dissens gab, wie bei den Themen Europapolitik oder Religionsfreiheit und Unklarheiten zum Thema sozial-ökologischer Umbau wurden Vorschläge zur Verbesserung und Konkretisierung des Programmes gemacht.

Auch die Auswertung der ersten Haustürbefragungen ist vielversprechend. Sowohl die Rückmeldung der befragten Bürger*innen wie derjenigen, die die Befragungen durchgeführt haben, waren überwiegend positiv. Bei den Gesprächen wurde deutlich, wie wichtig die direkte und persönliche Ansprache, das Gespräch und vor allem das Zuhören ist, auch um nicht nur kurze Kontakte zu erreichen, sondern darüber hinaus auch hinausgehende Beziehung zu uns und unserer Programmatik zu stiften. Deutlich macht dies auch eine Rückmeldung einer Person die bereits Haustürgespräche durchgeführt hat, die meinte: „In kurzer Zeit haben wir eine Menge Interessantes und Wichtiges für unsere politische Arbeit erfahren, eine Menge Feedback bekommen und all das aus dem ‚richtigen Leben‘!“ Für uns ein Zeichen, dass wir ein geeignetes Mittelgefunden haben, um die Leute nicht nur abzuholen und mitzunehmen, sondern auch Ihnen wieder zu zeigen, dass wir für Ihre Interessen einstehen. Zusammen mit ihnen.

Beschlüsse, Beschlüsse, Beschlüsse

Am Sonntag standen noch eine ganze Menge an Anträgen und zu fassenden Beschlüssen auf uns, die abgearbeitet werden sollten. Zentral war natürlich die Einberufung unseres Bundesparteitages, der vom 09. bis 11. Juni in Hannover stattfinden soll und wo wir unser Wahlprogramm erarbeiten und beschließen wollen. Dabei haben wir auch den Antrag vom letzten Frauen*plenum aufgegriffen, dass nun erfreulicherweise ganz selbstverständlich als Bestandteil des Bundesparteitages in der Zeitplanung berücksichtigt wird. Mit Blick auf den Antrag von zwei Genossinnen aus der Linkjugend [‘solid] zur kostengünstigen und veganen Verpflegung hat unser Bundesgeschäftsführer berichtet, dass dies in der Planung und den Verhandlungen mit dem zuständigen Cateringunternehmen berücksichtigt wird. Gut so, denn für einen solchen Parteitag gilt „ein leerer Magen ist ein schlechter Ratgeber“. 😉

Selbstverständlich einstimmig beschlossen wurden natürlich auch die Unterstützung der Proteste gegen den anstehenden AfD-Bundesparteitag in Köln im April und des G20-Bündnisses im Juni in Hamburg.  Zudem haben wir unsere Solidarität mit der Kampagne „Jobstown Not Guilty“ und den Aktivist*innen in Irland ausgedrückt, ebenso wie mit den demokratischen politischen Kräften in der Türkei, die für ein „Hayir“ (Nein) beim Verfassungsreferendum in der Türkei werben.

Und auch ein hochschulpolitischer Beschluss stand noch an. Das 10-Punkte-Papier der BAG Wissenschaft zur Entwicklung der dualen Studiengänge wurde einstimmig verabschiedet und dazu gibt es zu diesem Thema eine Beschlusslage, die in der fachpolitischen Debatte Eingang finden kann und wird.

Alle Beschlüsse des PV sind hier zu finden.

Anja freut sich, dass die Unterstützung des Frauen*kampftags einstimmig beschlossen wurde und auf einen kämpferischen 8. März.

Schafti freut sich, dass es nun eine Beschlusslage der Partei zum Thema duale Studiengänge gibt und der Antrag der BAG Wissenschaftspolitik zum 10-Punkte-Papier einstimmig beschlossen wurde.

 

Alles neu? Eine Parteivorstandssitzung zwischen Schulz-Effekt und Wirklichkeit
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