Nun ist er da. Der Leitantrag des Parteivorstandes zum Bundestagswahlprogramm. Über 180 Seiten mit über 300 Änderungsanträgen lagen am ersten Aprilwochenende auf unseren Tischen und wollten diskutiert und abgestimmt werden. Da hat es nicht nur ein bisschen länger gedauert, bis der Antrag durch die Redaktionsgruppe – danke für die Arbeit an der Stelle – überarbeitet war, sondern es hat auf Grund diverser Umstände auch etwas gedauert, bis wir beide mal dazu gekommen sind unsere Gedanken zu Papier zu bringen. Deshalb beschränken wir uns diesmal auf einen kurzen Blick auf den Leitantrag und geloben Besserung in Sachen Berichterstattung bei der nächsten Parteivorstandssitzung. ?
Was wollen wir mit dem Leitantrag zum Bundestagswahlprogramm? Wir wollen eines ganz klar deutlich machen: Es ist Zeit für den Politikwechsel und wir machen den Menschen dafür ein konkretes Angebot und zeigen konkrete Lösungen auf. Und trotzdem verlieren wir den Blick für die langfristigen und notwendigen Brüche mit dem aktuellen System nicht aus den Augen. (Radikale) Realpolitik im hier und jetzt verbunden mit einem Schuss Utopie, könnte mensch den Leitantrag kurz zusammenfassen. Die zentralen Forderungen sind klar und deutlich:
- Gute Arbeit und Gute Löhne: Wir wollen einen Mindestlohn von 12 Euro und ein Ende des Befristungsunwesens.
- Soziale Garantie: Wir erteilen dem Hartz-VI-System eine Absage und wollen die bedarfsgerechte und sanktionsfreie Mindestsicherung von 1.050 Euro.
- Für eine Rente, die ihren Namen verdient: Wir wollen eine solidarische Mindestrente und ein Rentenniveau von 53%.
- Zeit zum Leben statt zum Schuften: Wir wollen Arbeitszeit umverteilen, das bedeutet Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden bei vollem Lohnausgleich.
- Investieren in die Zukunft: Wir wollen ein Investitionsprogramm, dass die soziale Infrastruktur an den Bedürfnissen aller Menschen ausrichtet.
- Umverteilen: Wir wollen untere und mittlere Einkommen entlasten und Reichtum besteuern.
- Solidarische Gesundheitsversicherung: Wir wollen ein Ende der Zwei-Klassen-Medizin und eine Versorgung ermöglichen, die durch eine solidarische Finanzierung von allen für alle zur Verfügung steht.
- DIE LINKE ist und bleibt Friedenspartei: Auslandseinsätzen und Waffenexporten erteilen wir eine Absage.
- Solidarische Einwanderungsgesellschaft: Das Sterben an den europäischen Außengrenzen muss aufhören. Wir bekennen uns zum Recht auf Bewegungsfreiheit als ein Element zum Schutz der Menschen die vor Krieg, Gewalt, Verfolgung und existentieller Not fliehen.
- Sozialunion statt Währungsunion: Es braucht einen Neustart der EU durch eine grundlegende Reform der Verträge und Institutionen.
Diese Punkte zeichnen nur den Rahmen dessen nach, was die Grundprämissen des vorliegenden Leitantrages sind, um dem Titel „Sozial.Gerecht.Füralle.“ Rechnung zu tragen. Natürlich gab es im Detail in vielen Punkten intensive Debatten die auch gezeigt haben, wo etwaige Probleme in der Ausgestaltung unserer Programmatik zur Bundestagswahl liegen. Diese Detailfragen lassen sich hier aber kaum skizzieren. Daher wollen wir den Leitantrag in zwei aktuelle Diskussionsstränge einbetten, die zeigen, warum wir aus unserer Sicht eine gute Grundlage für den Bundesparteitag haben, auch wenn wir in der Sache dort sicher noch die ein oder andere hitzige Debatte führen werden.
Es wurde die letzten Tage und Wochen viel über die Schlussfolgerungen aus der Saarlandwahl diskutiert. Mal abgesehen davon, dass wir die bundespolitische Signalwirkung für geringer halten, als in der Öffentlichkeit postuliert wird, müssen wir mit Blick auf die Wahlauswertung und die vorliegenden Zahlen und Daten der Umfrageinstitute eines festhalten: 12,9% sind sehr wohl ein gutes Ergebnis für eine Wahl in einem westdeutschen Bundesland, auch angesichts der Stimmung, die gegen ein mögliches rot-rotes Bündnis gemacht wurde. Was aber klar benannt werden muss, ist nicht nur der relative sondern auch der Stimmenverlust in absoluten Zahlen unserer Wähler*innen. Vor allem angesichts dessen, dass über die Hälfte der Wähler*innen „soziale Gerechtigkeit“ als wahlentscheidendes Thema betrachtet haben und zeitgleich die zugeschriebenen Kompetenzwerte bei der LINKEN zurückgegangen sind. Dass sollte uns zu denken geben hinsichtlich der Frage ob und wie wir es schaffen die Definition unseres zentralen Themas und unserer Kernkompetenz zu vermitteln. Der Leitantrag bietet die inhaltliche Grundlage dafür, ist aber eben kein Selbstläufer. Wichtig wird es die geeigneten Mittel und Wege in der Ansprache zu finden, um auch den Menschen gegenüber vermitteln zu können, wie wir im konkreten, im alltäglichen mit unseren Forderungen für sie endlich Veränderungen erreichen wollen. Auf die Erfahrungen vieler Genoss*innen in verschiedensten Vereinen, Verbänden und Initiativen vor Ort aktiv sind müssen und können wir dabei setzen.
Mit Blick auf unsere Forderungen im Leitantrag ist eine Meldung aus der letzten Woche ganz interessant. Die EU-Kommission kritisierte in einem Bericht die wachsenden Einkommensunterschiede und ansteigende Armut in Deutschland. In einem Beitrag der Frankfurter Rundschau heißt es dazu: „Als Beispiele nennt die Behörde die Abschaffung der Vermögenssteuer im Jahr 1997 und die Absenkung des Spitzentarifs in der Einkommenssteuer von 53 Prozent auf 42 Prozent im Jahr 2004. Auch die Abgeltungssteuer, mit der Kapitaleinkünfte seit 2009 pauschal mit 25 Prozent besteuert werden, führt die Kommission auf. Schließlich weist der Bericht auf die Anhebungen der Sozialabgaben seit Anfang der 1990er Jahre hin. All das habe dazu beigetragen, „den progressiven Charakter des Steuersystems zu verringern, und die Einkommensunterschiede möglicherweise zu erhöhen“.“ Nun die einfache Frage: Wie könnte mensch dem nur entgegensteuern? Wie wäre es mit Umverteilung? Beispielsweise durch eine Entlastung der unteren und mittleren Einkommen bei gleichzeitig höherer Besteuerung von Reichtum? Hier legen wir mit dem Leitantrag den Finger in die Wunde und haben passende Vorschläge, denn wie wäre es mit einem Steuersatz von 53% für Einkommen ab 70.000 €, mit der der Wiedereinführung der Vermögenssteuer in Form einer Millionärssteuer oder auch mit der Forderung nach der Abschaffung der Abgeltungssteuer von 25%? Schauen wir in den Leitantrag, könnten wir zugespitzt sagen, ein Antrag ganz im Sinne der Kritik der EU-Kommission. Klingt komisch, ist aber so.
Und mit dem vorliegenden Leitantrag und den zentralen Forderungen gilt es nun umso mehr, in der Debatte über Farbenspiele nach der Wahl im Herbst, unseren Fokus darauf zu legen die politischen Kontrahent*innen inhaltlich zu stellen. Wenn Schulz mit der Ampel-Koalition zusammen mit der FDP liebäugelt, wird es unsere Rolle sein, mit unseren Forderungen den Weg zum Politikwechsel und zur Gerechtigkeitswende aufzuzeigen. Das ist dann kein anbiedern, damit stellen wir die SPD vor die Verantwortung zu erklären, wie sie soziale Gerechtigkeit definiert, und den Wähler*innen gegenüber ehrlich zu sein. Beim letzten Mal hatten wir geschrieben: „Wir wollen ihm [Schulz] deutlich machen, dass die Alternativen und Versprechungen, die er gerade vollmundig verspricht, auch umgesetzt werden müssen, wenn zumindest im Ansatz so etwas wie ein Politikwechsel stattfinden soll. Wir müssen dabei deutlich machen, dass wir den Politikwechsel wollen und dass nur der Garant dafür sein können, dass die SPD sich nach dem Wahltag noch an ihre guten Vorsätze erinnert. Wir müssen deutlich machen, dass es einen tatsächlichen Bruch mit dem „weiter so“ braucht und nicht nur gute Rhetorik die auffällig bei unseren programmatischen Grundsätzen abgekupfert ist.“ Das gilt nun, wo wir unsere Idee für eine Gerechtigkeitswende auf den Tisch gelegt haben und ein Finanzierungskonzept dazu, umso mehr. Also packen wir es in diesem Sinne gemeinsam an und streiten für unsere Inhalte und unsere Vorstellung einer sozialen, gerechten Republik für alle!
Alle weiteren Beschlüsse die auf der Parteivorstandssitzung gefasst wurden gibt es wie immer hier. Und wie schon gesagt für die nächste Parteivorstandssitzung geloben wir natürlich Besserung und werden versuchen euch möglichst taufrisch wieder einen Bericht zu geben.