Nur eine Woche nach der letzten Parteivorstandssitzung kam der Parteivorstand auch diesen Sonntag und Montag wieder in Berlin zusammen. Die NRW-Wahl stand an, ebenso wie weitere Vorberatungen zum Bundesparteitag und zum anstehenden Bundestagswahlkampf. Was bleibt ist ein „bitterer Erfolg“, den wir nun im Rücken haben und aus dem wir unsere Lehren für die anstehenden Aufgaben ziehen können und müssen.

Zunächst muss aber eins ganz deutlich gesagt werden: DANKE! Danke an die Genoss*innen in NRW, die einen hervorragenden Wahlkampf für mehr soziale Gerechtigkeit in NRW gemacht haben. Ihr habt nicht nur auf euren Plakaten Stärke gezeigt, sondern auch auf der Straße. Soziale Gerechtigkeit war das Thema Nummer 1 in NRW und ihr wart und bleibt eine glaubhafte Stimme dafür. Umso bitterer und enttäuschender, ist dass es am Ende 8561 Stimmen waren, die gefehlt haben, damit diese soziale Stimme von der Straße auch in den Landtag zieht. Die Hoffnung keimte nochmal auf, als gestern gegen 22 Uhr die Hochrechnungen wieder einen Anstieg der Stimmenanteile auf 4,9% verkündeten. Doch am Morgen nach der NRW-Wahl bleibt trotz einer Verdoppelung der Stimmen die Enttäuschung und die Erkenntnis, dass es ein „bitterer Erfolg“ war. Wie es Horst Kahrs und Benjamin Hoff in ihrer Wahlanalyse für die RLS beschreiben.

Mit unseren Spitzenkandidat*innen Özlem Alev Demirel und Christian Leye haben wir Montag Vormittag intensiv versucht die Gründe dafür zu diskutieren. Denn wir müssen uns mit Blick auf die Verschiebungen in NRW auch fragen, warum wir es bei einem Verlust von insgesamt 20 Prozent von SPD, Grünen und Piraten nicht geschafft haben ein größeres Potential als 2,5% zu mobilisieren, uns ihre Unterstützung zu geben. Hoff und Kahrs konstatieren an der Stelle in ihrer Wahlauswertung: “Mittelfristig wird die Partei sich mit der Frage beschäftigen und sie plausibel beantworten müssen, warum sie bei einer so großen Bewegung von früheren Wählerinnen und Wählern der Parteien links von der Union, von Grünen, SPD und Piratenpartei landesweit in nur so geringem Maße als Alternative in Frage gekommen ist.“

Christian Leye meinte dazu in der Wahlauswertung, das dies auch daran liege, dass ein linkes Lager im Wahlkampf nicht wirklich existiert hat. Bis zum Schluss haben sich SPD und Grüne an den LINKEN abgearbeitet, während wir die einzige Kraft in NRW waren, die sich an der eigentlichen Gefahr von rechts abgearbeitet hat: der AfD. Nicht zuletzt die Absage von Schulz an ein mitte-links Lager am Anfang der Woche und die Tatsache, dass Hannelore Kraft nochmal einen draufsetzte, haben auch dazu beigetragen. Statt Möglichkeiten progressiver Politik auszuloten, haben SPD und Grüne so ganz alleine zu ihren Niederlagen beigetragen und ihr Wahlziel erfüllt, die LINKE aus dem Landtag zu halten. Hier können wir nur hoffen, dass es beiden Parteien Lehre genug, war und mit Blick auf den Bundestagwahlkampf nochmal darüber nachgedacht wird, ob dies wirklich ein Weg ist, um einen Politikwechsel zu gestalten, wenn sie es ernst meinen und sie beide merken, der Feind steht rechts und nicht links von SPD und Grünen.

Ein wenig naiv wirkt auch die Reaktion der SPD, die NRW-Wahl so strikt von der Bundestagwahl zu trennen, bspw. in dem Martin Schulz im Hintergrund blieb. Das führte doch letztendlich auch dazu, dass seine Worte zur sozialen Gerechtigkeit vage blieben. Erst hat er es als Thema gesetzt und dann nicht mehr drüber reden wollen, während eine breite Öffentlichkeit auf seine Vorschläge gewartet hat. Uns soll es recht sein, wir nehmen den Ball gerne auf und machen weiter das Angebot für eine Gerechtigkeitswende. Es liegt an der SPD und den Grünen, ob sie diese Diskussion ernsthaft führen wollen. Wir sind bereit. Das hat übrigens auch die Reaktion der Genoss*innen aus NRW Anfang der Woche gezeigt. Statt auf die Auschließeritis der SPD aufzuspringen haben unsere Genoss*innen weiter das Angebot für Gespräche gemacht.

Was bedeutet das nun für die nächsten Monate? Da sind wir ganz bei Katja die meint: „Soziale Gerechtigkeit ist das Brot und die Butter der LINKEN. Wir sind DIE LINKE der klaren Ansage gegen die Armut, gegen die soziale Schieflage – wir sind der Garant für soziale Gerechtigkeit. Zugleich müssen wir auch eine LINKE des Gemeinsamen werden. Eine LINKE, die die Frage der sozialen Demokratie, der Gleichheit aller unterschiedlichen Lebensentwürfe und individuellen Freiheiten jetzt mehr denn je gegen den Angriff des liberal-konservativen Blocks verteidigt. Angesichts der Verluste aller Parteien links der CDU, brauchen wir eine Reorganisation einer fortschrittlichen Mehrheit – einer solidarischen Mehrheit, die über die einzelnen Parteien hinausreicht. Das klingt vermessen angesichts der Zahlen des gestrigen Abends, aber dies ist jetzt die Aufgabe der LINKEN in den kommenden vier Monaten bis zur Bundestagswahl. Hier sind alle gefragt. Wer etwas ausschließt im Verhältnis zu anderen, der hat schon verloren. Das hat der gestrige Abend auch gezeigt. DIE LINKE steht weiter für eine soziale Gerechtigkeitswende. Aber wir werden das nicht alleine einlösen können. Möglich wird sie aber nur, wenn die LINKE stark wird.“

Beim Blick auf die Frage wer uns gewählt hat lässt sich positiv festhalten, dass auch in NRW der Trend bestätigt wird, dass wir vor allem bei einem jungen urbanen Milieus punkten können. Ergebnisse von mehr als 11 % Zustimmung in Köln und Bielefeld, aber auch gute Ergebnisse in Dortmund, Essen, Aachen und Duisburg zeugen davon. Aber auch die Stimmanteile unter den Erwerbslosen sind wieder überdurchschnittlich hoch. Aber das neue Milieu allein reicht eben nicht. Auch das ist eine Lehre aus den letzten Wahlen. Ein Mobilisierungsproblem hatten wir in NRW allerdings offensichtlich –  wie auch schon in Schleswig-Holstein – bei der ländlichen und älteren Bevölkerung. Nun ist das kein Problem was ganz neu ist. Schon lange sprechen nicht nur wir davon, dass eine Doppelstrategie angesichts des Wechsels im Wähler*innenmilieus notwendig ist. Eine Doppelstrategie, die die Ansprache an die neuen Wähler*innenschichten, die fruchtet fortsetzt, aber dabei das alte Wähler*innenklientel und den ländlichen Raum nicht außer Acht lässt. Der Blick auf die letzten Wahlauswertungen zeigt aber, dass es uns noch nicht gelungen ist, diesen Begriff der Doppelstrategie in den Wahlkämpfen konkret mit Botschaften und Aktionen zu untersetzen. Dieses Problem spielte auch bei der Diskussion über die Bundestagswahlkampagne am Sonntag eine große Rolle. Hier liegt noch eine große Aufgabe vor uns.

Aber nicht nur die Wahl und Folgen standen zur Diskussion. Nachdem wir letzte Woche schon den Bericht zur Mitgliederentwicklung der Partei und den steigenden Mitgliederzahlen mit Freude entgegennahmen, war diesmal der Jugendverband zum berichten zu Gast. Und auch der gab uns einen Grund zur Freude. Denn für 2016 konnten 675 Neueintritte verkündet werden. Legt mensch die Austritte daneben, so kommen wir auf einen Anstieg um 347 Mitglieder. Damit setzt sich der Trend kontinuierlich fort. Der Jugendverband verzeichnet seit 2012 ein Wachstum. Insgesamt sind derzeit 5977 Mitglieder in 211 Basisgruppen bundesweit aktiv. Die neuen Mitglieder des Bundessprecher*innenrates, gaben auch einen Einblick in die Motivation der Jugendlichen die zu ihnen kommen. Ereignisse wie die Wahl von Donald Trump oder das Referendum in der Türkei waren dabei genauso „jetzt muss ich was unternehmen“-Momente wie die Proteste gegen rassistische und rechte Parteien und die Flüchtlingsunterstützungarbeit vor Ort. Aber auch lokale Bürger*innenproteste, wie bspw. mit NOlympia in Hamburg haben dazu beigetragen, dass Jugendliche zur Linksjugend gekommen sind. Die klare Haltung im Kampf gegen rechts und die Bündnisarbeit der Linksjugend zahlen sich also aus. Allerdings wurde auch selbstkritisch angemerkt, dass es immer noch ein großes Ungleichgewicht im Verband zwischen Männern* und Frauen* gibt. Nur ein Drittel der Mitglieder im Verband sind Frauen*. Die Aktivitäten in den Frauen*kampftagsbündnissen wurden und werden daher vom Jugendverband auch genutzt, um dieses Problem innerhalb der eigenen Strukturen anzugehen. Dennoch stimmt die Entwicklung des Jugendverbandes positiv. Und das gleich drei Mitglieder aus Thüringen nun im neuen Bundessprecher*innenrat aktiv sind, freut Schafti natürlich ganz besonders ?

Die Diskussionen zu Beginn der Vorstandsssitzung waren mit Blick auf die Wahlnachwirkungen aus Schleswig-Holstein und die anstehende Wahl fokkussiert auf die Abwehrreaktionen der SPD und ihrer Ausschließeritis und den Folgen, die wir ja schon diskutiert haben. Auch die rechten Terrorgruppen und Verstrickungen der Bundeswehr und ihrer „Traditionslinien“ stand nochmal zur Debatte. Was wir davon halten hatten wir letzte Woche ja schon klargemacht.

Ein Nachklapp gab es allerdings noch zur Wahl in Frankreich. Mit Verwunderung haben wir da doch die Äußerungen zur Kenntnis genommen, dass nun die Austeritätspolitik ein Ende haben müsse. So hatte Außenminister Gabriel nach der Wahl von Macron plötzlich verkündet: „Es muss aufhören, dass wir den Franzosen ständig mit dem erhobenen Zeigefinger gegenüber treten, nichts mitmachen und sie sozusagen um jeden Millimeter Flexibilität in der Politik betteln lassen.“ Komisch finden wir, denn mit der Politik des erhobenen Zeigefingers, war die Bundesregierung ja gegenüber Griechenland offensichtlich recht zufrieden. Hier wird klar wie mit zweierlei Maß gemessen wird. Hier gilt es daher mit Blick auf die Frage, wie weiter mit Europa anzuknüpfen und die Widersprüche aufzuzeigen. Wer ein soziales Europa will und mehr Investitionen statt Austerität, soll dann bitte den europäischen Mitgliedsländern gleichberechtigt behandeln und nicht das Europa der zwei Geschwindigkeiten mit solchen Überlegungen fördern.

Neben all diesen Diskussionen und Ereignissen wurden auch noch Beschlüsse gefasst. So wurde die historische Kommission wiederberufen. Und in Vorbreitung des Bundesparteitages stand noch die Beratung der eingegangenen Anträge auf der Tagesordnung. Die nächste Sitzung ereilt uns dann auch schon wieder in wenigen Wochen, am 03. Juni. Dann hört ihr wieder von uns, wenn es in großen Schritten auf den Bundesparteitag zu geht.

 

Mit dem „bitteren Erfolg“ im Rücken die kommenden Aufgaben in den Blick nehmen

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